Schwerin & Weise-Ettingshausen Partnerschaft

Blog


Die Patchworkfamilie gab es auch schon früher

Oder: Aschenputtel – ein Beispiel aus der Märchenwelt

Wir erinnern und alle noch an das Märchen von Aschenputtel. In zahlreichen Abwandlungen ist die Geschichte auch als „Drei Haselnüssel für Aschenbrödel“ und „Cinderella“ bekannt.

Zunächst haben wir eine „normale“ Familie mit den verheirateten Eltern, also Vater und Mutter und einem gemeinsamen Kind, Aschenputtel.

Bis dahin ist noch alles in Ordnung.

Dann stirbt die Mutter und Aschenputtel ist mit ihrem Vater allein. Der frühe Tod der Mutter wird nie wirklich aufgeklärt. Aus medizinischer Sicht ist es heutzutage eher unwahrscheinlich, dass ein Elternteil so früh verstirbt. Die Lebenserwartung ist im Gegensatz zur damaligen Zeit deutlich gestiegen.

Heutzutage kommt man aber dennoch schnell in die Lage, als Kind nur noch mit einem Elternteil leben zu können, nämlich dann, wenn sich die Eltern trennen.

Das Märchen von Aschenputtel hätte also auch lauten können, dass sich ihre Eltern getrennt haben. Aber möchten wir soetwas in einem Märchen lesen?

Nein, bevor sich Eheleute im Märchen trennen, sterben sie lieber. Nun gut, das soll nicht unsere Baustelle sein.

Aschenputtel und ihr Vater waren allein. Recht schnell fand der Vater wieder eine neue Frau.

Diese Frau war auch allein mit ihren beiden Kindern. Was mit dem Vater der Kinder geschehen ist, wird in dem Märchen nicht näher beleuchtet. Wenn man aber die Frau näher kennenlernt, stellt man schnell fest, dass er das einzig richtige getan hat.

Aschenputtels Vater heiratet die nette Frau.

Schon haben wir eine Patchworkfamilie.

Zwei von ihrem Ehepartner geschiedene und allein die Kinder betreuende Elternteile finden zu einander und heiraten. Jeder bringt eigene Kinder mit in die neue Ehe und es bildet sich eine ganz neue Famile – die Patchworkfamilie.

Wie geht das Märchen von Aschenputtel weiter?

Schnell stellt sich heraus, wie nett Stiefmutter und die Stiefschwestern wirklich sind. Wir wundern uns also nicht mehr, weshalb der Vater nicht mehr da ist.

Aschenputtels leiblicher Vater ist viel unterwegs, um die Familie zu ernähren und bekommt von Problemen zu Hause nichts mit.

Darf Aschenputtels Vater seine Tochter mit ihrer Stiefmutter allein lassen?

Hat die Stiefmutter denn überhaupt ein Sorgerecht? Darf sie Aschenputtel Anweisungen geben?

Nur Aschenputtels Vater ist sorgeberechtigt – allein sorgeberechtigt nach dem Tod der Mutter. Die Stiefmutter, die kein rechtliches Verhältnis zu Aschenputtel begründet hat, hat kein Sorgerecht und damit auch keine Handhabe, Aschenputtel solche Anweisungen zu geben, wie sie es im Märchen getan hat.

Nur mit entsprechender Vollmacht von Aschenputtels Vater hätte die Stiefmutter entsprechende Entscheidungen treffen und Anweisungen geben dürfen.

Natürlich besteht kraft konkludenter Vereinbarung zwischen Aschenputtels Vater und der Stiefmutter eine Aufsichtspflicht.

Diese Pflicht kann aber nicht soweit gehen, dass die Stiefmutter ihrer Stieftochter derartige Aufträge erteilt und ihr untersagt, zum Ball zu gehen.

Hier wäre auf jeden Fall etwas mehr Fingerspitzengefühl von Aschenputtels Mutter gefragt gewesen.

Aber ich denke, man kann der Patchworkfamilie keinen Vorwurf machen, dass sie sich nicht ausreichend informiert hat. Solche Möglichkeiten gab es damals nicht. Aber versetzen wir uns in die Moderne, bleiben wir ruhig im Jahr 2013.

Man hätte sich informieren können über das Thema und somit richtungsweisende Entscheidungen finden und bestimmte Regelungen treffen können.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Aschenputtel Opfer mangelnder Informationen ihrer „neuen Eltern“ über das Prinzip der Patchworkfamilie und deren rechtlicher Ausgestaltung geworden ist.

Letztlich ist aber alles gutgegangen und Aschenputtel hat ihren Weg gemacht.