Irren ist menschlich – Teil 1
Begonnen werden soll mit den vorherrschenden Rechtsirrtümern im Straßenverkehr.
1. Ich darf bei Stehen des Autos bei Rot an einer Ampel telefonieren. Nein. Sie dürfen nur im Auto telefonieren oder eine andere Nutzung ihres Telefons bedienen, wenn der Motor des Autos nicht läuft; es sei denn, sie haben eine Freisprechanlage. Wenn das Fahrzeug also sofort in Bewegung gesetzt werden kann, dann Hände weg vom Handy. Denn so können sie sich nicht voll auf den Straßenverkehr konzentrieren. Bei Telefonieren am Steuer während der Fahrt oder bei Stopp mit laufendem Motor ohne Benutzung einer Freisprechanlage droht nach der StVO ein Bußgeld von 40,00 € sowie 1 Punkt in Flensburg.
2. Wenn ich betrunken mit dem Fahrrad fahre, kann mir der Führerschein nicht entzogen werden.
Nein. Für Radfahrer gilt eine Alkohol-Grenze von 1,6 Promille (sog. absolute Fahruntüchtigkeit). Wenn man hiergegen verstößt, droht ebenso der Führerscheinentzug oder Punkte in Flensburg! Aber auch schon bei einem Promillewert von 0,3 (relative Fahruntüchtigkeit mit Ausfallerscheinungen) kann man sich strafbar machen. Mithin kann sogar der Schutz der Unfallversicherung verloren gehen.
3. Wenn der Parkautomat meine Münze nicht annimmt, dann brauche ich nichts bezahlen.
Nein. Man muss es am nächsten Automaten (auf der gegenüberliegenden Straßenseite…) versuchen. Wenn dieser auch defekt ist, dann legt man die Parkscheibe ins Auto.
4. Wenn ich bis zu 0,5 Promille Alkohol im Blut Auto fahre, kann mir die Polizei gar nichts.
Nein. Der Autofahrer macht sich bereits dann strafbar, wenn er ab 0,3 Promille im Blut Auto fährt und Anzeichen von Fahrunsicherheit aufzeigt.
5. Ich darf nur Lichthupe geben bzw. die Hupe betätigen, wenn eine Gefahrensituation vorliegt.
Nein. Nach § 5 Abs. 5 StVO darf außerhalb geschlossener Ortschaften das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Jedoch darf man Hupe und Lichthupe nicht überstrapazieren – dann nämlich droht eine Strafbarkeit wegen Nötigung; so kann also dichtes, aggressives Auffahren in Verbindung mit wiederholtem/dauerhaftem Betätigen der Lichthupe eine Nötigung i. S. d. § 240 StGB sein.
6. Ich darf innerorts problemlos immer 10 km/h schneller fahren als erlaubt.
Nein. Der Bußgeldkatalog sieht auch schon bei einer Überschreitung der Geschwindigkeit innerorts bis zu 10 km/h ein Bußgeld von 15,00 € vor.
7. Ich darf auf der Autobahn nur links überholen.
Nein. Bei Fahrzeugschlangen auf mehreren Fahrstreifen für eine Richtung, bei Stau oder zäh fließendem Verkehr, kann rechts überholt werden (vgl. § 7 Abs. 2, 2a StVO). Wenn links also höchstens Tempo 60 gefahren wird, dann ist maximal 20 km/h schnelleres Überholen erlaubt. Auch auf dem Beschleunigungsstreifen ist rechts überholen erlaubt. Und im Bereich eines Autobahnkreuzes, wenn Breitstrich und Richtungstafeln vorhanden sind, ist das Überholen der Fahrzeuge auf der durchgehenden Fahrbahn erlaubt.
8. Meine Punkte in Flensburg werden 2 Jahre lang gespeichert.
Jein. Das kommt auf das Delikt an. 2 Jahre lang werden die Punkte bei Ordnungswidrigkeiten (Tempoverstöße…) gespeichert; 5 Jahre bei Straftaten ohne Alkohol und 10 Jahre bei Straftaten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Wenn man zwischenzeitlich wieder eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begeht, wird die Speicherung um die Frist des neuen Verstoßes verlängert. Nach Fristablauf werden die Punkte noch ein weiteres Jahr in Flensburg aufbewahrt.
9. Bei 18 Punkten in Flensburg muss ich ein Aufbauseminar machen; meinen Führerschein kann ich in jedem Fall behalten.
Nein. Ab 18 Punkten in Flensburg wird die Fahrerlaubnis automatisch entzogen. Erst nach 6 Monaten kann man den Führerschein wieder beantragen; aber nur nach Bestehen der sog. MPU. Auch bei 14-17 Punkten in Flensburg ist die MPU zu erbringen; ansonsten kann auch hier die Fahrerlaubnis entzogen werden.
10. Die Polizei darf verdachtsmäßig alle Autofahrer filmen, um Temposünder zu erwischen.
Nein. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (AZ: 2 BvR 9421/08) verletzt das verdachtsmäßige Filmen des Verkehrs das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demnach dürfen nur Temposünder fotografiert oder gefilmt werden.
11. Ich erhalte meinen Unfallschaden nur reguliert, wenn die Polizei den Unfall aufgenommen hat.
Nein. Bei kleinen Unfällen mit geringen Sachschäden muss die Polizei den Unfall nicht aufnehmen und ich kann diesen trotzdem von der Versicherung regulieren lassen. Hierzu reicht es aus, wenn ich den Unfall mittels Bildern und Zeugen beweisen kann.
12. Wenn die gegnerische Versicherung meine Reparaturkosten nach einem Unfall übernimmt, stehen mir keine weiteren Ansprüche zu.
Nein. Meistens rechnen die Versicherungen meist weniger ab, als den Versicherten zusteht. Die Unfallgeschädigten haben aber auch noch andere Ansprüche: Ersatz für Wertminderung des Fahrzeugs, Entschädigung für den Nutzungsausfall in der Zeit der Reparatur, eine Pauschale für kleinere Unkosten, Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden etc. Solche Ansprüche müssen direkt bei der Versicherung eingefordert werden.
13. Wenn nach einer Unfallflucht kein Fahrer ermittelt werden kann, kann ich als Geschädigter keine Ansprüche geltend machen.
Nein. Behandlungskosten bei körperlichen Schäden werden zunächst von der Krankenkasse übernommen. Des Weiteren gibt es den sog. Verkehrsopferhilfe-Verein (VOH). Dabei handelt es sich um einen Garantiefonds der Versicherungswirtschaft. Dieser fungiert als Entschädigungseinrichtung für alle Fälle, in denen Geschädigte leer ausgehen würden. Gezahlt werden Sachschäden, aber auch Schmerzensgeld; je nachdem, wie gut der Fonds-Topf gefüllt ist.
14. Wenn ich schon rückwärts blinke, um einzuparken, gehört der Parkplatz mir.
Eigentlich ja. Wer mit seinem Fahrzeug zuerst an der Parklücke war, der darf auch einparken (getreu dem Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“). Auch wenn man noch rangieren muss und dafür zunächst an der Lücke vorbeifahren muss, genießt man den Vorrang. Zum Beispiel hat aber ein Gericht entschieden, dass ein Fußgänger, welcher eine Parklücke freihält, eine Verkehrsbehinderung darstellt und sogar „sanft berührt“ werden darf, um den Parkplatz freizugeben.
15. Barfuß oder mit Flipflops darf ich mich nicht hinter das Steuer setzen.
Nein. Grundsätzlich darf der Autofahrer barfuß oder mit Flipflops Auto fahren. Bei einem Unfall allerdings, welcher auf die unpassende Fußbekleidung zurückzuführen ist, kann die Kfz-Versicherung den Kaskoschutz versagen.
16. Ich ramme das Auto aus Versehen neben mir, habe aber einen wichtigen Termin. Ich melde es später bei der Polizei. Alles richtig gemacht?
Nein. Das Verhalten stellt zweifelsohne eine Fahrerflucht dar, welche mit Geldstrafe und bis zu 7 Punkte in Flensburg geahndet wird. Es droht des weiteren Führerscheinentzug sowie bei Wiederholungstätern Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren. Die Versicherung des Geschädigten ist außerdem berechtigt, einen Betrag bis zu 5.000,00 € von Ihnen zu fordern. ALSO: Unfallflucht ist kein Kavaliersdelikt. Das bedeutet: Nach dem Unfall Warten; eine halbe Stunde auf belebter Straße, nachts 10 Minuten. Wenn niemand erscheint, sollten Sie den Schaden unverzüglich melden. Und dies setzen Sie am besten um, indem Sie zur nächsten Polizeidienststelle gehen und dort Name, Adresse und die Kennzeichen der beteiligten Fahrzeuge angeben.
17. Ich darf als Autohändler die Haftung für Fahrzeugmängel im Vertrag ganz ausschließen.
Nein. Gewerbliche Verkäufer dürfen ihre Haftung für Fahrzeugmängel im Vertrag nur noch beschränken. Das Gesetz sieht hierfür eine Frist von 2 Jahren vor. Ein Händler hat nunmehr nur noch die Möglichkeit, die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen.
18. Ich habe ein sog. Bastlerfahrzeug erworben. Ist damit die Sachmängelhaftung weg?
Das kommt drauf an. Wenn das Auto z. B. statt zum Bastlerpreis von 500,00 € für 5.000,00 € (Marktwert Gebrauchtwagen) verkauft wurde, kann man die Sachmängelhaftung notfalls gerichtlich einklagen. Denn dann könnte man argumentieren, dass die Bezeichnung des Autos als Bastlerfahrzeug eine Umgehung des § 475 I 1 BGB darstellt.
Man merke sich also: Nicht alles, was wir als Verkehrsteilnehmer seit Jahren praktizieren (nach dem Motto: „das hab ich doch immer so gemacht“), ist auch nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erlaubt!
Allzeit GUTE FAHRT!!!
Wir möchten noch auf die Internetseite www.safe-roads.net des Vereins GRSA verweisen.
Das Ziel der Arbeit des GRSA e.V. ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit – durch Förderung der Ein- und Durchführung von Sicherheitsaudits für Straßen im In- und Ausland zur Vermeidung von Verkehrssicherheitsdefiziten bei der Planung, dem Entwurf und dem Betrieb von Straßen.
Sollten Ihnen daher z. B. Straßen auffallen, bei welchen es häufig zu Verkehrsunfällen kommt und Sie der Meinung sind, dass hier Verkehrssicherheitsdefizite bei der Planung, dem Entwurf und dem Betrieb vorliegen, dann ist dieser Verein der richtige Ansprechpartner.