Schwerin & Weise-Ettingshausen Partnerschaft

Blog


Kein Fall aus der Praxis

Oder: warum die Pechmarie kein Gold bekommen hat.

Da der Fall nicht echt ist, kann er so auch nie vor einem realen Arbeitsgericht verhandelt werden.

Interessant wäre es aber schon, zu wissen, wie ein Arbeitsgericht entscheiden würde, wenn die Pechmarie die Frau Holle auf Lohn für die getane Arbeit verklagen würde.

Grundlegende Fragen des Prozesses wären dann, ob ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, ob der Pechmarie grundsätzlich Lohn zusteht oder ob Frau Holle den Lohn wegen schlechter und verweigerter Arbeit verweigern kann.

Nehmen wir also an, es gäbe ein Märchenwaldgericht und die Pechmarie hat Klage erhoben, weil sie von Frau Holle keinen Lohn – oder zumindest nicht den erhofften Lohn – bekommen hat.

Die Fiktion vom Märchen(wald)gericht ist gar nicht so weit hergeholt. An vielen deutschen Gerichten erzählen nicht nur die Kläger, Beklagten, Angeklagten, Zeugen und Beteiligten Märchen, sondern gerade auch deren rechtliche Vertreter und auch die Richter.

Wir erinnern uns gern an die Geschichte, als der Richter am Amtsgericht allen Ernstes meinte, eine Grunddienstbarkeit an einem Grundstück kann nur erlöschen, wenn das Grundstück im Erdboden versinkt. So viel zum Thema Märchen …

Auch erinnern wir uns alle an das Märchen von Frau Holle. Die Goldmarie fällt in den Brunnen, landet im Himmel bei Frau Holle, hilft ihr fleißig mit und bekommt jede Menge Gold als Belohnung. Die Pechmarie will auch Gold und springt auch den Brunnen. Da sie aber der Frau Holle nicht hilft, wird sie mit Schimpf und Schande nach Hause geschickt und von Frau Holle mit Pech übergossen.

Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gab es bei Beiden nicht. Aber die Goldmarie hat gearbeitet – auch ganz ordentlich, wenn man den Gebrüdern Grimm Glauben schenken mag. Dafür wurde sie auch entsprechend entlohnt, vergleiche dazu § 612 Absatz 2 BGB.

„(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.“

Konkret hatten Frau Holle und Goldmarie nichts vereinbart, sodass im Zweifel anzunehmen ist, dass die Bezahlung mit dem Gold angemessen war. Die Goldmarie hat auch nichts moniert und stellt keine Forderungen gegen Frau Holle.

Ob hier letztlich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt wurden, soll nicht näher beleuchtet werden.

Die Pechmarie hat im Vergleich zu ihrer Schwester Pech gehabt und wurde nicht mit Gold entlohnt.

Das ihr zugeflossene Pech erachtet sie nicht als ausreichenden Lohn und hat Frau Holle auf Zahlung verklagt. Mangels einer konkreten Vereinbarung muss auf § 612 BGB zurückgegriffen werden.

Zunächst muss man sich fragen, ob aber überhaupt ein Arbeitsvertrag vorgelegen hat. Dem wird aber nichts entgegenzusetzen sein, da auch mündliche oder konkludente Absprachen ausreichend sind. Die Pechmarie kam freiwillig zu Frau Holle und ist anfänglich auch den Weisungen gefolgt.

Ein Arbeitsverhältnis lag vor. Der Lohnanspruch ist damit dem Grunde nach auch gegeben. Für die Höhe des Lohnes muss die übliche Vergleichsentlohnung herangezogen werden. Mangels Erfahrung über das Vorhandensein weiterer Angestellter von Frau Holle zieht man vergleichsweise die Vergütung der Goldmarie heran.

Die Pechmarie hätte also auch einen Anspruch auf Bezahlung in Gold; in gleicher Menge wie bei ihrer Schwester.

Natürlich wird Frau Holle den Anspruch nicht einfach anerkennen und sich im Rahmen der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht auch nicht veranlasst sehen, einen Vergleich einzugehen.

Was die Pechmarie bei ihrer Klage verschwiegen hat, ist die Tatsache, dass Frau Holle das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund nach § 626 BGB gekündigt hat.

Der wichtige Grund liegt in der unvergleichbaren Schlechtleistung, die letztlich in der totalen Arbeitsverweigerung endete.

Es war der Arbeitgeberin Frau Holle nicht mehr zumutbar, an diesem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Man denke insbesondere an die armen Kinder auf der Erde, die keinen Schnee hatten und sich nicht vergnügen konnten.

Ob Frau Holle mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt hat, ist nicht bekannt und wird vom Gericht nicht näher erörtert. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes scheidet daher aus.

Hatte Frau Holle aber das Recht, die Lohnzahlung völlig zu versagen?

Das muss das Gericht prüfen und dazu erörtern, ob die Pechmarie überhaupt gearbeitet und Leistungen für Frau Holle erbracht hat.

Da dies zwischen den Parteien streitig ist, wurden die Gebrüder Grimm als Zeugen vernommen. Nach deren Überlieferung arbeitete die Pechmarie zumindest am ersten Tag recht fleißig im Haushalt der Beklagten mit. Aber schon am zweiten Tag wurde  den Anweisungen nicht mehr Folge geleistet und ab dem dritten Tag gar keine Arbeit mehr geleistet.

Somit steht der Pechmarie allenfalls für einen Arbeitstag die Vergütung zu.

Zu beachten ist dabei aber – so äußerte sich letztlich das Gericht -, dass die Pechmarie eine nicht unerhebliche Menge Pech bekommen hat. Auch wenn dies nicht der Vorstellung der Klägerin entsprach, ist dem ein Wert beizumessen.

Nicht einig waren sich die Parteien aber wiederum über die Menge des geflossenen Pechs und dessen Wert.

Auf Drängen des Gerichts nahm die Pechmarie die Klage aber schließlich zurück.

Die Moral von der Geschicht: Keine Arbeit, kein Lohn? – immer gilt das nicht.

Anmerkung zum Schluss: eine umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes war dies nicht.