Unterhalt für Kinder
FRAGE: Können Sie ganz allgemein etwas zum Thema Unterhalt sagen?
RA Schwerin: Ganz allgemein gesagt, unterscheiden wir zwischen den kleinen und den großen Kindern. Für die minderjährigen Kinder bekommt das eine Elternteil vom anderen Elternteil Unterhalt, wenn die Eltern getrennt leben. Hierbei ist das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen des unterhaltsverpflichteten Elternteiles (wir nehme der Einfachheit halber mal immer den Vater) an. Dann ist der zu zahlende Betrag aus der Düsseldorfer Tabelle abzulesen.
FRAGE: Bei den großen Kindern wird der Unterhalt anders berechnet?
RA Schwerin: Jein. Hier unterscheiden wir wieder zwei Gruppen, die privilegierten und die nicht privilegierten volljährigen Kinder. Der Unterschied liegt darin, ob das volljährige Kind noch zur Schule geht oder schon eine Ausbildung macht. Für die großen Schulkinder gilt nach wie vor die Düsseldorfer Tabelle und ist das Einkommend es Vaters maßgeblich. Bei den Kindern in Ausbildung, was hier sowohl Lehre als auch Studium sein kann, hat die Rechtsprechung Bedarfswerte ermittelt, die dann unterhaltsrelevant sind. Das studierende Kind mit eigenem Haushalt (kann auch WG-Zimmer sein) hat danach einen Bedarf von 670 Euro abzüglich des Kindergeldes, welchen beide Elternteile nach Quoten entsprechend ihres Einkommens bezahlen müssen.
FRAGE: Das bedeutet jetzt was?
RA Schwerin: Die Sache kann recht kompliziert werden. Rein theoretisch müsste das volljährige Kind seinen Auskunftsanspruch gegen beide Elternteile geltend machen und deren Einkommenssituation erfassen und müsste sich dann den Unterhaltsanspruch ausrechnen. Wenn die Eltern noch zusammen leben, einigt man sich in der Regel auf einen Unterhaltsbetrag. Leben die Eltern aber getrennt, sind es gerade wieder die Väter, die hier viel Ärger bereiten, indem sie nicht bereit sind, den ihrem Kind zustehenden Betrag zu zahlen. Im Ergebnis kommt es eben darauf an, wieviel die beiden Elternteile jeweils verdienen. Dementsprechend wird ermittelt, wer wieviel auf den Bedarf von 670 Euro abzüglich Kindergeld bezahlen muss.
FRAGE: Wie lange müssen die Eltern im schlimmsten Fall zahlen?
RA Schwerin: Das volljährige Kind kann für eine erste Ausbildung noch Unterhalt verlangen. Dann ist Schluss mit lustig. Was aber heißt erste Ausbildung? Eine Lehre geht in der Regel 3 Jahre und dann kann man ins Berufsleben starten. Für diese Lehrzeit müssen die Eltern zahlen. Wird die Lehre aber unbegründet abgebrochen oder die Prüfungen wegen der Null-Bock-Mentalität verhauen, können die Eltern die Unterhaltszahlungen einstellen.
FRAGE: Und bei Studenten? Ein Studium dauert ja doch etwas länger.
RA Schwerin: Ja, das ist richtig. Hier legt man die Regelstudienzeit zugrunde. Das sind meist um die 9 Semester, also 4,5 Jahre. Kommt das Kind über diese Zeit können die Eltern auch wieder den Hahn zudrehen. Allerdings kommt es darauf an, ob das Kind die Zeit verschuldet oder unverschuldet überschritten hat. Wer z.B. aufgrund Krankheit daran gehindert war, die Regelstudienzeit einzuhalten, kann auch darüber hinaus Unterhalt verlangen. Die berühmt-berüchtigten Bummelstudenten haben aber keine Chance mehr auf den elterlichen Unterhalt. Übrigens wir dem studierenden Kind das Recht zugestanden, sich einmal zu irren; es darf also auch einmal das Studium wechseln.
FRAGE: Hat sich der Bologna-Prozess auf den Unterhalt ausgewirkt?
RA Schwerin: Sie spielen auf die Geschichte mit dem Bachelor und dem Master an? Ja, in der Tat hat dies zu Veränderungen geführt. Im Unterhaltsrecht stellt sich auch immer die Frage, ob das Kind ein Recht auf eine zweite Ausbildung hat, was aber zu Recht verneint wird. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Wenn auf eine Lehre ein Studium folgt oder auf einen Master ein Bachelor. Wichtig ist nur, dass beide Wege aufeinander aufbauen und zum selben Ziel führen. Wer Fleischer lernt und dann Jura studieren will, kann schlecht begründen, dass es sich nicht um eine zweite Ausbildung handelt. Wer aber eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter macht und dann BWL studiert, kann auch weiter Unterhalt verlangen. Genauso müssen Master und Bachelor zusammenpassen.
FRAGE: Welche Rolle spielt das Jugendamt beim Thema Unterhalt?
RA Schwerin: Das Jugendamt ist in diesem ganzen Bereich sehr wichtig. Es ist auch sehr wichtig, einen guten Draht zu den Mitarbeitern zu haben.
FRAGE: Was genau macht denn das Jugendamt nun?
RA Schwerin: Nehmen wir an, es handelt sich noch um ein minderjähriges Kind, dann kann die Mutter, wenn sie sich alleinstehend um das Kind kümmert und der Vater keinen Unterhalt zahlen kann, z.B. bis zum 12. Lebensjahr Unterhaltsvorschuss beantragen. Das Jugendamt zahlt dann einen (kleinen) Unterhaltsbetrag für das Kind und prüft später, ob es diesen Betrag beim Vater zurückholen kann. auch dies führt oft zu Problemen.
FRAGE: Was hat es mit den Unterhaltstiteln auf sich?
RA Schwerin: Das Jugendamt kann, wenn zwischen den getrennt lebenden Eltern Streit über den Kindesunterhalt besteht, auch einen Titel über den Unterhalt festmachen. In Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle wird dann ein zu zahlender Unterhaltsbetrag festgesetzt. Titel bedeutet in dem Fall, dass die Mutter für das Kind jederzeit daraus gegen den Vater vollstrecken kann, wenn dieser nicht zahlt.
FRAGE: Das Ganze geht doch sicher auch nicht ohne Reibereien von statten?
RA Schwerin: In der Tat nicht. Insbesondere dann, wenn sich die Einkommensverhältnisse des Vaters verschlechtern und er nicht mehr zahlen kann, kommt es zum Streit. Dann ist es für den Vater ratsam, den Titel abändern zu lassen. Am einfachsten geht das, wenn die Kindsmutter zustimmt. Macht sie das nicht kann der Vater gerichtlich beim Familiengericht die Abänderung beantragen, was aber mit weiterem Aufwand und Kosten verbunden ist.
FRAGE: Wo können sich Betroffene Hilfe holen?
RA Schwerin: Hier bietet der ISUV die Möglichkeit, sich in der Beratungsstelle entsprechend zu informieren. Über eine Mitgliedschaft im ISUV kann man dann auch kostengünstige Rechtsberatung bei den Kontaktanwälten erhalten. Der ISUV bietet auch Broschüren zum Thema Kindesunterhalt. Darüber hinaus sollte man sich in einer solchen (Not-)Situation dann an einen auf Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden.